„Jibt et denn wat Besseres als wie Frühlingsluft und den Blütenduft. Und den Sonnenschein und die Vögelein. Tititirili in de Laubenkolonie.
Jibt et denn wat Schöneres, als wenn sonntags so – quietschvergnügt und froh, sie ihm unterfäßt und sich führen läßt. Schon am Morgen früh, in de Laubenkolonie.
Jibt’s wat Angenehmeres wie so’n Frühstücksschmaus, sie packt Stullen raus. Er vier Flaschen Bier, eine jibt er ihr. Und dann schwelgen sie, in de Laubenkolonie…
– Claire Waldoff –
Als unsere Kleingartensparte gegründet wurde, gab es den Stadtteil „Babelsberg“ noch gar nicht. Das Gelände am Ende der damaligen Priesterstraße (heute Karl-Liebknecht-Straße) gehörte zur Ortschaft „Nowawes“ – im Volksmund auch „Nudeltopp“ genannt. Am 1. April 1907 vereinigte sich Nowawes mit der eher industriell geprägten Nachbargemeinde Neuendorf. Der neue Ort hieß „Nowawes“, lediglich die Bahnstation trug den Namen „Neuendorf-Nowawes“ (heute S-Bahnhof Babelsberg). Mit der einhergehenden Industrialisierung nahm die Einwohnerzahl um das Doppelte zu. 1924 wurde Nowawes das Stadtrecht verliehen.
Wann genau die ersten Lauben auf dem sandigen Hügel nördlich der Priesterstraße (Karl-Liebknecht-Straße) erbaut wurden, läßt sich heute nicht mehr sagen.
Am 13. Oktober 1912 trafen sich im Restaurant von Rudolf Thäter in der Grenzstraße Nr. 8 verschiedene Laubenbesitzer, um den Laubenverein „Babelsberg“ zu gründen. Die Versammlung begann um 9.30 Uhr und schloß pünktlich um 12 Uhr. Nachdem man den Vorstand gewählt und sich über die Statuten ausgetauscht hatte, wurde der monatliche Beitrag von 20 Pfennigen festgelegt. Die Vereinssitzungen sollten jeden 2. Sonnabend im Restaurant von Herrn Thäter stattfinden.
Vereine unterlagen zu dieser Zeit keiner Genehmigungspflicht, eine Anmeldung bei der Vereinspolizei im Rathaus Nowawes genügte.
Am 31. Juli 1919 wurde durch die Deutsche Nationalversammlung die Kleingarten- und Kleingartenpachtlandverordnung (KGO) verabschiedet. Sie regelte die Pachtpreise und legte die Unkündbarkeit der Pachtverträge fest. Bis 1919 war es üblich, Bauerwartungsland bis zum Baubeginn zwischenzeitlich zu verpachten. Die Pachtverträge wurden zwar über die Dauer eines Jahres abgeschlossen, die Kleingärtner mußten sich aber verpflichten, ihre Parzellen sofort zu räumen, wenn der Eigentümer das Land eher benötigte. Die Pächter wußten also nie, ob sie im nächsten Jahr ihren Garten noch bestellen konnten.
Die Nowaweser Kleingartenvereine organisieren sich ab 1926 im „Ortskartell der Kleingärtner Nowawes“.
In direkter Nachbarschaft des Laubenvereins „Babelsberg“ gründeten sich zwei weitere Laubenkolonien, „Freie Scholle“ (1913) und „Hoffnung (1922). Die Gärten sicherten oftmals die Versorgung der Familien, besonders in den Zeiten des Krieges, der Inflation und der Weltwirtschaftskrise. Eine medizinische Erhebung zur Kindergesundheit in Nowawes stellte 1926 fest, daß 60% der Kinder schlecht ernährt seien.
1929 trat der Magistratsarbeiter Paul (er selbst nannte sich gern Karl) Dettloff in unseren Verein ein. Er wird dessen Geschicke als Vorsitzender über Jahrzehnte prägen. Auf der Generalversammlung vom 17. 10. 1931 beschließt der Verein mit einer Gegenstimme die Eintragung ins Vereinsregister des Amtsgerichts Potsdam. Auf einer zweiten Versammlung am 12. März 1932 wurde die vom Vorstand umgeänderte Satzung einstimmig angenommen. Der Laubenverein „Babelsberg“ wird am 17. Juni 1932 unter der Nummer 277 ins Vereinsregister eingetragen, die öffentliche Bekanntgabe erfolgte am 2. Juli 1932 im „Öffentlichen Anzeiger der Preußischen Regierung Potsdam“.
Der monatliche Beitrag wurde auf 0,30 Pfennige erhöht. Neben dem Vorstand gibt es weitere Ämter zu bekleiden: Fahnenträger nebst Fahnenjunker, Kartelldeligierte und zwei Jugendleiter. Eine seltene Aufnahme zeigt die Schreberjugend des Laubenvereins Babelsberg während eines Umzugs anläßlich des Kleingärtnertages 1931 in Nowawes. Das Plakat „Kampf dem Bodenwucher, Schutz dem Kleingärtner!“ verheißt nichts Gutes.
In den 1930er Jahren werden Bebauungspläne konkret, die den Laubenverein „Babelsberg“ erheblich treffen. Die Alexanderstraße (heute Scheffelstraße) soll bis zum Priesterweg verlängert und beidseitig bebaut werden. Ein Stadtplan von 1933 zeigt den Straßenverlauf bereits. Daher mußten alle Gärten Ecke Priesterweg/Concordiaweg bis zum Hauptweg der Gartensparte beräumt werden. Dieses Bauvorhaben wurde allerdings aufgrund des 2. Weltkrieges nie umgesetzt. Anfang der 40er Jahre bewirtschafteten ehemalige Pächter und Mieter der anliegenden Häuser diese brachliegenden Gärten, teilweise auch ohne Mitgliedschaft im Laubenverein „Babelsberg“.
1946 erfolgte die Umbenennung der Priesterstraße in Karl-Liebknecht-Straße. Bei der Vergabe der Hausnummern wurden die 48 und 49, sowie die Nummern 51-90 bis heute ausgespart. Ein neues Bauvorhaben bedrohte nun die Gärten: die Verbreiterung der Karl-Liebknecht-Straße und die Errichtung von mehrgeschossigen Häusern entlang des ehemaligen Priesterwegs (heute Karl-Liebknecht-Straße Höhe Stadion/Sportplatz in Richtung Allee nach Glienicke). Zum Glück erlaubte eine Verordnung aus der Kaiserzeit keine geschlossene Bebauung im Umkreis der Sternwarte von 1,2 km. Auch spätere Bauvorhaben scheiterten daran, um eine Lichtverschmutzung auszuschließen.
Nach dem Krieg wählten die Mitglieder Paul Dettloff erneut zum Vorsitzenden. Der Generalpachtvertrag von 1946 wird nach Freigabe durch die russische Besatzungsmacht 1947 um ca. 2000 qm erweitert. Der Pachtzins beträgt 0,02 RM pro Quadratmeter. „Das gewerbliche Feilbieten von Getränken jeder Art ist den Pächtern ausdrücklich verboten. … Die Bekämpfung der Ratten- und Mäuseplage übernimmt gleichfalls der Pächter.“
Aufgrund von Obst- und Gemüsediebstählen werden alle Gärten eingezäunt und die Pächter halten abwechselnd Nachtwachen. Alle in den 30er Jahren beräumten Gärten bewirtschaften wieder Mitglieder des Vereins. Teilweise wird Tabak angebaut.
Das Sitzungsprotokoll vom 2. Januar 1949 legt erstmalig einen Vergnügungsausschuß fest. Man lädt zum Kostümfest ins Lokal Robé ein (heute befindet sich in dem ehemaligen Gasthof Robé das Fanprojekt Babelsberg 03). Desweiteren wird darauf hingewiesen, daß „Hunde und Hühner innerhalb der Kolonie so zu halten sind, daß dem Nachbarn kein Schaden entsteht.“ Das Leben normalisiert sich langsam. Jährlich finden neben dem Stiftungsfest, auch Kinderfeste statt.
Die Kleingartenvereine in der DDR unterstanden ab 1952 den Räten des Kreises, das Vereinsregister übernahmen die Volkspolizei-Kreisämter. Man legte ein eigenes Register an und ersuchte die Vereine, ihre Löschung aus dem Vereinsregister des Amtsgerichtes zu beantragen. Der Laubenverein „Babelsberg“ kam dieser Aufforderung nicht nach. In einem Untersuchungsbericht der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Potsdam vom 2. 10. 1953 wird dem Verein noch Rechtsfähigkeit bestätigt. Am 10. September 1954 wird der Verein im Vereinsregister seitens der Behörden, ohne Einwilligung des Vorstands, gelöscht. Im internen Bericht vom 22. Oktober 1954 heißt es: „Die Bildung der Verbände der Kleingärtner-Siedler und Kleintierzüchter ist im Bezirk abgeschlossen. Nach den vorliegenden Berichten haben sich alle Vereine angeschlossen. Die Löschung wurde vorgenommen und die Vorstände davon in Kenntnis gesetzt.“
Im Jahre 1956 führte die Volkspolizei eine umfassende Untersuchung und Analyse aller (!) Kleingartensparten im gesamten Bezirk Potsdam durch. Besonders die Vorsitzenden werden auf ihre Haltung zur SED und auf Kontakte in die BRD und nach Westberlin überprüft. „Über einige äußerst negative Momente wurde das MFS in Kenntnis gesetzt“. Bei der Überprüfung der Kreisverbände der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, stach der Kreisverband Potsdam besonders negativ heraus: „Der Kreisverband Potsdam hat in der letzten Zeit in der fachlichen und politischen Anleitung stark nachgelassen. So ist die Durchführung der Schulung zurückgegangen, was auf die Arbeit des Vorsitzenden des Kreisverbandes zurückzuführen ist, der desöfteren die Versammlungen im angetrunkenen Zustand besucht und in seine Trinkgelage weitere Vorstandsmitglieder mit einbezieht bzw. verleitet.“ Der Laubenverein „Babelsberg“ fällt in diesem Bericht weder positiv noch negativ auf, man bescheinigt einen „gewissen Stillstand“, da der Vorstand es nicht versteht, die Mitglieder zu gesellschaftspolitischer Arbeit anzuleiten.
Ebenfalls in den 1950-Jahren beginnen die Mitglieder unserer Sparte mit dem Bau des Vereinsheimes. Das erste Häuschen war sehr klein. Immerhin konnte es einen Tisch nebst Bierfaß beherbergen. Vor dem Haus befand sich ein Eisenrohr. Wurde ein neues Faß angestochen, schlug Paul Dettloff mit einer Eisenstange gegen dieses Rohr: das Signal hallte durch die Sparte und wurde von allen Pächtern – zum Unmut ihrer Frauen – sofort verstanden. (Bitte klicken Sie hier, wenn Sie sich für die Geschichte unseres Vereinsheimes interessieren.)
Das als „Italienische Nacht“ bezeichnete Sommerfest, die Stiftungsfeste und das „Frühkonzert“ zu Pfingsten sind in den folgenden Jahren bis 1990 regelmäßiger Bestandteil des Vereinslebens. Das Pfingstkonzert wird teilweise von bis zu 450 Babelsbergern besucht. Das Feierabendheim in Klein Glienicke, der Kindergarten „Herbert Ritter“ und das Kinderheim in der Ludwig-Richter-Straße werden im Sommer mit Obst und Blumen versorgt. Mit dem Kinderheim besteht ab 1970 ein Patenvertrag.
Alljährlich müssen sich die Pächter verpflichten, die Ernteergebnisse des Vorjahres noch zu übertreffen.
Die Wettbewerbsmeldung 1972 listet folgende Ergebnisse auf: „In unserer Sparte wurden bis zum 31. 7. 1972 5392 kg Beerenobst geerntet, davon wurden 178 kg an den Handel geliefert. Die Ernte bei Frühgemüse betrug 234 kg. An Kaninchenfleisch wurden 55 kg gewonnen, in unserer Sparte sind nur zwei Kaninchenhalter. Honiggewinnung war nicht!“
Da die Zahlen der Obst- und Gemüseernte auf freiwilligen Angaben und Schätzungen beruhten, konnte das Ergebnis mühelos von Jahr zu Jahr gesteigert werden. 😉
Zum 70. Jahrestag des Laubenvereins „Babelsberg“ (1982) drehte das DEFA-Dokfilmstudio den 15 minütigen Film: „Im 70. Frühling“. In den darauf folgenden Jahren wird der Kleingartensparte mehrmals der Titel „Staatlich anerkanntes Naherholungsgebiet“ verliehen. Um auf seine lange Tradition hinzuweisen, nimmt der Verein das Jahr seiner Gründung mit in den Namen auf. Aus dem Laubenverein „Babelsberg“ wird die Kleingartensparte „Babelsberg 1912“.
Die ständige Baustoffknappheit in der DDR führte in den 80er Jahren zu erneutem Unmut. So war den Babelsberger Kleingartensparten am Concordiaweg seit 1984 die Ablösung vom Trinkwassernetz und ein Gemeinschaftsbrunnen zugesagt worden. In heißen Sommern ist das Wasser in den Kleingärten knapp. Im Bericht des VKSK vom Juni 1988 heißt es: „Die Materialbereitstellung stellt sich als chaoshaft dar. Die Verantwortlichen sprechen von spießbürgerlichen Methoden, da durch VEB Baustoffversorgung Potsdam Sammelbestellungen der Vorstände nicht als Bestellungen „Bevölkerung“ anerkannt werden und Bilanzteile fordern. Auslieferungslager Staaken hat gegenüber Funktionären erklärt, „kommen Sie mit jedem einzelnen Mitglied, so erhält jeder bis zu 6 Stangen Rohr, kommen Sie allein, bekommen Sie auch nur für eine Person Rohr.“ Der versprochene Gemeinschaftsbrunnen wurde nie gebaut.
Nach 1989 erfolgte die erneute Registrierung als Verein im Vereinsregister. Leider stand auch nun wieder die Sorge um die Pachtverträge und die eventuelle Überbauung des Gartenlandes im Vordergrund. Das Vereinsleben kam fast völlig zum Erliegen. In den Jahren 1994 (sowie 2009) richtete unserer Verein einen Frühschoppen für Kleingärtner und Lokalpolitiker aus. Es soll noch weitere 23 Jahre dauern, bis die Kleingartensparte „Babelsberg 1912“ als Grünfläche im Bebauungsplan festgeschrieben wird.
Seit 2012, dem 100. Geburtstag unseres Vereins, finden wieder regelmäßig Sommerfeste statt und die Vereinsarbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nach vielen turbulenten Jahrzehnten kann die älteste Kleingartensparte Babelsbergs in diesem Jahr ihr 110. Stiftungsfest feiern. Mögen diesem noch viele weitere folgen!
© J. K. Adam